13. Dezember 2022

Traute Theurer:

Rede zum Haushalt 2023

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

wir alle haben auf Normalität gehofft. Darauf, dass die Corona-Pandemie abklingt und alles wieder wie früher wird. Aber weit gefehlt.

Vielfachkrisen bestimmen derzeit unser Leben: Der Ukrainekrieg, die hohe Inflation und eine drohende Rezession, Lieferkettenengpässe und Baukostensteigerungen. Die Energiekrise, bedingt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den europäischen Boykottmaßnahmen gegen Putin, erfordern ein schnelles Umdenken und zügiges Handeln im Hinblick auf unsere Energie- und Versorgungssicherheit. Wir werden zu Maßnahmen gezwungen, die wir entweder auf die lange Bank geschoben haben oder durch eine verfehlte Energiepolitik jetzt entstanden sind.


Um das im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegte Ziel die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sind enorme Kraftanstrengungen notwendig. Leider muss man ernüchtert zur Kenntnis nehmen, dass wir, getrieben von immer neuen Hitzewellen und Extremwetterereignissen, uns längst auf dem 2,5 Grad Pfad befinden.

Der Klimawandel ist das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts. Die Dringlichkeit des kommunalen Handelns vor Ort ist nicht zu übersehen.

Im Juni hat der Gemeinderat den Klimaaktionsplan beschlossen und jetzt liegt für die nächste Gemeinderatssitzung ein „Klimaaktionsplan Update“ mit einem umfangreichen Maßnahmenfahrplan zur Reduktion der Treibhausgase bis 2035 im Entwurf vor. Im kommenden Jahr wird es heißen „mach was draus“.

PV-Anlagen auf Dächern von öffentlichen Gebäuden und vor allem in der Fläche sind die schnellste Möglichkeit der Kommune, um bei der Stromerzeugung unabhängig und klimaneutral zu werden. Hier müssen wir Tempo machen und durchstarten. Deshalb fordert die GAL-Fraktion einen gezielten und ergebnisorientierten Suchlauf für Flächen von mindestens 3 bis 4 ha, gern auch mehr, auf der Bietigheim-Bissinger Markungsfläche oder in den Zweckverbänden, die für den Bau von Freiflächen-Fotovoltaik-Anlagen geeignet und kurzfristig verfügbar sind. Denn wir brauchen Hektar und keine Quadratmeter. Eine dieser Flächen haben wir uns ausgeguckt und schlagen sie vor: das Gewann Wolfskehle. Wir bitten, diese Fläche hinsichtlich einer Nutzung für eine Freiflächen-PV-Anlage schnellstens zu prüfen.

Rund 170 städtische Gebäude müssen bis zum Jahr 2035 klimaneutral, d.h. energetisch saniert werden. Wir müssen Gas geben beim Klimaschutz und weniger Gas verbrauchen. Wir drängen seit Jahren auf einen zügigen Ausbau von Fotovoltaik auf den Dächern der städtischen Liegenschaften. In diesem Jahr wurden vier Schulen mit großflächigen Fotovoltaikanlagen versehen und weitere sind in Planung. Jedes neue Dach ist ein Schritt hin zur Klimaneutralität. Eine große Anzahl von städtischen Gebäuden ist bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen und der Ausbau muss fortgesetzt werden. Mit der energetischen Sanierung der Ellental-Gymnasien wurde bereits 2016 begonnen. Es ist das Gebot der Stunde, dass bei allen kommenden Bau- und Sanierungsmaßnahmen penibel auf die Energieeffizienz geachtet werden muss. Eine Herkulesaufgabe hinsichtlich der Durchführung und der Kosten.

Das gleiche gilt für Wohnungseigentümergemeinschaften und Hauseigentümer. Sie müssen für die energetische Sanierung gewonnen werden. Dazu haben wir mit der Bietigheimer Wohnbau und den Stadtwerken zwei kompetente Partner, die sowohl beraten als auch umsetzen können. Wir erwarten ein „Solaroffensiveprogramm“. Die Stadtwerke sollen Dächer von Wohnungseigentümergemeinschaften pachten, um darauf Solaranlagen zu installieren. Nach Aussage der Bietigheimer Wohnbau gibt es bereits Mustervereinbarungen dazu.


Ein wichtiger Baustein zur Reduzierung der CO2-Emissionen ist das Mobilitätsverhalten.

Für die GAL-Fraktion hat der Ausbau des ÖPNV absoluten Vorrang.

35 % der Bundesbürger fühlen sich nach einer Kantar-Umfrage nicht gut mit Bus und Bahn angebunden. Dabei stört sie vor allem die Taktung. Nach Aussage des Geschäftsführers kann die Firma Spillmann, ohne umfangreiche finanzielle und personelle Anstrengung, den 15 Minuten-Takt tagsüber für den innerstädtischen Busverkehr umsetzen. Das bringt einen enormen Qualitätssprung beim Umsteigen von Bahn auf Bus. Machen wir`s.

Wir können uns gut eine Bus- oder Umweltspur auf Teilstücken der Stuttgarter Straße vorstellen. Dies würde die Pünktlichkeit des Busses deutlich erhöhen. Diese Umweltspur könnte ggf. neben dem Bus auch für das Taxi und Fahrgemeinschaften freigegeben werden. Welche Rahmenbedingungen dazu notwendig sind, lässt sich sicherlich in der Diskussion des Mobilitätsplans klären.

Immenses Potenzial bietet der Radverkehr. Deshalb gilt dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur unser Augenmerk. Wir brauchen Querungshilfen, sichere Ein- und Ausfahrten und Radschutzstreifen, ausgebaute Fahrradwege, Fahrradstraßen und eine gute Wegweisung. Diese Maßnahmen erleichtern den Umstieg und machen den Radverkehr sicherer und attraktiver. Neben der Nutzung des Rads für die Alltagswege sind wir mit der Planung des Radschnellweges von Bietigheim-Bissingen nach Stuttgart auf dem richtigen Weg.

Ein angenehmes Fußgängerklima soll durch eine gute Fußwegeplanung, eine bessere Beleuchtung und dem Freihalten von parkenden Fahrzeugen auf den Gehwegen erreicht werden.

Die GAL-Fraktion lehnt den Bau von Umgehungsstraßen-, Brücken- oder Tunnelbauten ab. Dieses Geld kann an anderer Stelle sinnvoller und effektiver für Mobilitätsmaßnahmen eingesetzt werden. Wir wollen keine Planuntersuchung weder für eine ortsferne noch eine ortsnahe Umfahrung. Tatsache ist, dass mehr und breitere Straßen Verkehr anziehen und nicht verringern.

Um die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, müssen Stadt, Bund und Land, Unternehmen, Gewerbetreibende und die Bürger und Bürgerinnen dazu beitragen. Es geht nur gemeinsam. Dazu bedarf es Aufklärung und aufwändiger Öffentlichkeitsarbeit.

Die GAL-Fraktion hat zum Haushalt 2023 ganz bewusst keine Anträge gestellt.

Wir haben darauf verzichtet, weil die Verwaltung mit der Erarbeitung von für uns wichtigen Maßnahmen aus dem Klimaaktionsplan und dem Mobilitätsplan sehr gut beschäftigt ist und mit Hochdruck daran arbeitet. Die Erstellung dieser Vorlagen braucht Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit. Wir haben auch darauf verzichtet, weil wir keine zusätzlichen Kosten für Maßnahmen produzieren wollen.

Themen zu Klimawandel und Mobilität haben wir in verschiedenen GAL-Anträgen zu den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre frühzeitig und vorausschauend aufgegriffen. Es waren und sind unsere Arbeitsschwerpunkte, unsere gesellschaftliche Verpflichtung und gleichwohl unser Herzensanliegen.

Ich rufe in Erinnerung: Das Jobticket im Jahr 2014, um den Umstieg auf den ÖPNV zu erleichtern, die kommunale Verpackungssteuer auf Einweg-Plastikgeschirr zur Müllvermeidung. Die Stellen für Klimaschutzmanager und die Teilnahme am Energy Award im vergangenen Jahr, die CO2-Kompensation von Flugreisen, die Untersuchung zur Parkraumbewirtschaftung, das 3-Euro-Stadtticket, die Förderung von Lastenrädern, die naturnahe Waldbewirtschaftung und die Änderung der VVS-Zonenzuordnung waren GAL-Anträge. Unser Antrag zum Trinkwasserbrunnen von 2016 ist aktueller denn je und als Bestandteil eines Hitzeaktionsplans zu sehen.


Neben Klimawandel und Mobilitätswende gibt es ein Dauerthema, eine Pflichtaufgabe der Kommune und eine große gesellschaftliche Verantwortung, die uns beschäftigt. Es sind die Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die GAL-Fraktion unabdingbar. Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass die Kinder regelmäßig und qualitativ gut betreut sind. Das ist auch mit ein Beitrag zur Minderung des Fachkräftemangels im Handwerk, in den Pflegeeinrichtungen und in der öffentlichen Verwaltung. Letztendlich sind wir in der Stadt davon auch selbst betroffen.

Im zurückliegenden Jahr sind die Kinderbetreuungseinrichtung Domino und die Kita-Erweiterung Fliederweg eröffnet worden. Im Jahr 2023 wird die Kita Gerokstraße eingeweiht. In Planung sind die Kitas Schillerstraße und im Lothar-Späth-Carré. Wir hoffen, dass auch die Erweiterung der Kindertageseinrichtungen Breslauer Straße und Metterzimmern bald in Betrieb gehen. Damit kann der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen für U3 und Ü3 Kinder geschmälert werden.

Die Investitionskosten für Kita- und Schulbaumaßnahmen liegen 2023 bei rund 20 Millionen Euro. Mit jeder Inbetriebnahme entstehen Folgekosten für den Betrieb und das Personal. Diese gehen dauerhaft zu Lasten unseres schon gebeutelten Ergebnishaushalts.

Das ist der GAL aber eine gute Betreuung und Bildung wert.

Investitionen sind in den kommenden Jahren für die Sanierung und den Umbau der Sandschule und der Schule Im Aurain geplant.

Keine oder nur mit einer Planungsrate versehen, sind Investitionen in sogenannte Freiwilligkeitsleistungen wie das Hallenbad Ellental, die Umgestaltung des Mettertals oder die Tribüne im Stadion Ellental.

Noch können wir von soliden Steuer- und Gebühreneinnahmen und Zuweisungen im nächsten Jahr ausgehen. Die beschriebenen Aufgaben und natürlich auch die gesamtwirtschaftliche Lage stellen die Planbarkeit und die Liquidität unseres städtischen Haushalts vor große Herausforderungen und Unsicherheiten.

Von liebgewonnenen Gewohnheiten und dem was bisher als „normal“ galt, müssen wir uns möglicherweise verabschieden. Wir hoffen, dass das zu keinen gesellschaftlichen Verwerfungen führt und wir so krisenfest sind, dass der Zusammenhalt der Bevölkerung in Bietigheim-Bissingen Bestand hat.


Zum Schluss gilt unser herzlicher Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit. Sie nehmen sich für unsere Anliegen und Anfragen immer Zeit und haben ein offenes Ohr.

Die GAL-Fraktion stimmt der Haushaltssatzung 2023 und der mittelfristigen Finanzplanung 2022 bis 2026 zu.